Tango Vagabundo

Vom Lorenz, dem Kojoten und den Tänzelnden: dunkeltaumelbunte Füßeleien im Hinterhof

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Fotos: Sascha Schleef und Annelena Witthus

 

Ein Sommerabend, nicht wie aus dem Bilderbuch; eher wie aus einem Fotoalbum; nostalgisch hervorgekramt an einem verregneten Augustfreitag:

Ein lauschiger Innenhof führt zur baumgekrönten Wiese, die Sonnenblumen strahlen mit dem Namensgeber um die Wette, ein paar Zaungäste trudeln ein, hocken gesprächs- und gastronomisch vertieft an den Biertischen, im Hintergrund säuseln 17 Hippies um das Akkordeon und niemand bemerkt es so recht. In der Mitte wird der Tanzteppich ausgerollt und die Stimmung changiert. Tangoklänge schleichen sich ein und mit ihnen füllt sich gemächlich der Hof. Vor den Säulen wird es lebendig; Gespräche und Schritte gehen ineinander über und die Sonne macht heimlich Platz für den proppevollen Lorenz, der sich strategisch über dem Dach einfindet (Anmerkung des Setzers für alle Nicht-Ruhrgebietler: Lorenz = Mond). Bunte Lichterketten, rot- und grün strahlende Säulen und die Schreibtischlampen aus den Fenstern des alten Kontors verwandeln die Tänzer komplizenhaft mit den zwitschernden Klängen von El Amanecer in ein vielbeiniges, dunkeltaumelbuntes Fabelwesen. Der Abend schreitet voran wie die Tänzelnden auf der Fläche und die Nachbarschaft löscht die Lichter, öffnet die Fenster und lässt den frischen Wind und das Kojotengeheul von Tom Waits hinein. Die Geisterstunde wird zum komplizenhaften Abschiedstango. Müde Füße werden kurz mitleidig begutachtet und anschließend auf die Fahrradpedale gesetzt. Die Tänzelnden machen sich schleichend auf den Heimweg, der Tanzboden wird schweigend eingerollt und die Nachbarschaft schließt die Fenster.

Inmitten von Vernetzungen, Marathons und Schneller-Höher-Weiter-Events gibt es manchmal kleine Momente und Orte, in denen wird der Tänzer auch nach 15 Jahren Tango wieder zum kleinen Kind im Bonbonladen und kriegt ein Bauchkribbeln, wie vor dem ersten nervösen Salonschritt seines Lebens. Damals mit…wie hieß sie noch…was macht sie heute…wo tanzt sie gerade?  Die Milonga wird zum Schwoof und der Tänzer zum Tänzelnden. Und manchmal passiert so etwas an unbeachteten, versteckten Orten.  An einem Sommerabend im August; im Hinterhof.

Das Tango Vagabundo dankt dem Museum Wäschefabrik für die freundliche Unterstützung und den Komplizen der Ratauration um Susanne Bartsch ganz herzlich für einen unvergesslichen Abend!

Wir sehen uns im September wieder, tanzen in der Restauration weiter und warten auf 2016…

Tangoschwoof im Hinterhoof

 

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Das Vagabundo zieht es an die frische Luft: in den letzten Sommerwochen wird der Tanzsaal der Restauration Bartsch gegen den Tanzteppich im Innenhof des Museums Wäschefabrik (Viktoriastraße 48, 33602 Bielefeld) getauscht und unter freiem Sternenhimmel geschwooft. Das Bartsch zieht mit, schmeißt den Grill an und erweitert das Getränkeangebot um Tinto de verano und (damit der Münsterländer DJ Vagabundo kein Heimweh bekommt) „Tango“.

Damit die Wartezeit verkürzt wird, starten wir diesmal bereits um 20.00, der Eintritt bleibt wie immer frei und wir hoffen lediglich auf ein Lächeln und eine freiwillige GEMA‘ tanzen-Spende.

Musikalisch erwarten wir euch mit einem sommerlich-frischen Tangomisch aus Classico und Non.

Sollten einige Tänzer der Region während der Woche ihre Teller nicht leerfuttern, so wird bei erhöhten Feuchtigkeitsgraden mit trockenen Tangoschläppchen, wie üblich, die Restauration gerockt.

Wir freuen uns auf einen flirrenden Frischluftschwoof mit Euch 🙂

PS: kleine Info für das fahrende Volk: die Restauration hat einen speziellen Tangotarif für ihre Übernachtungsgäste eingerichtet. Wer direkt von der Tanzfläche ins Bett tänzeln möchte, reserviere direkt bei Hotel Restaurant Bartsch.

Tangoinpetto beflügelt Fernweh des Vagabundo

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Fotos: Annelena Witthus

 

(VK) Einmal im Jahr, mitten im Sommer, dann wenn die Welt die Koffer packt, lockt die Schuhfabrik Ahlen ein kleines Fleckchen Tangowelt zu sich ins Haus; den Heimathafen des Tango Vagabundo. Der Zufall, der ja oftmals die buntesten Blüten treibt, wehte am letzten Samstag nun Katharina Wibmer und Gerhard Schiewe als Tangoinpetto aus dem fernen Stuttgart auf die Bühne und hinterließ bleibende Eindrücke; bei Zuhörern, Tänzern zwischen Siegen und Bielefeld und ja, auch beim Veranstalter selbst.

Während vor der Saaltür die Ahlener Fußballhorden der Schuhfabrik sich im Schankraum in schwarz-gelber Glückseligkeit freudetrunken in den Armen lagen, Gladbach tanzte schließlich selbst mit 3 verlorenen Punkten ab, stieg im Saal die Vorfreude auf das erste Tangoinpetto-Konzert in NRW.

Die Wurzel dieser Liaison liegt in einem verregneten Kinoabend in Kappeln an der Schlei vor neun Jahren. So startete der Conférencier des Abends, Tangolehrer Jörn Kitzhöfer, seine Begrüßung an das Publikum. Damals blieb ihm, der im Film auftauchende Titel Qui a tué le Tango im Hinterkopf und eine im Internet entdeckte  Interpretation von Gerhard Schiewe ließ ihn im Frühling spontan Kontakt mit Schiewe und Wibmer aufnehmen, die zwischen Berlin und Stuttgart in mehreren Ensembles spielen. Gerade zu der Zeit, als die Schuhfabrik gemeinsam mit Kitzhöfer auf der Suche nach einer, diesmal vielleicht etwas unbekannteren Gruppe für den SommernachtsTango war. Ein kurzes Gespräch und man war sich nicht nur einig, sondern auch direkt sehr zugetan: einzige Bedingung…Qui a tué le Tango wird gespielt. Auch Tangolehrer haben schließlich noch Träume.

Nach einem abwechslungsreichen, konzertanten Teil, in dem jenseits der üblichen Tangosets auch Filmmusik das Bühnenkostüm des Tangos überstreifte, als ob es für sie geschneidert wäre, und die Erkenntnis beim Publikum wuchs, Lennon und Mc Cartney hätten ihr heimliches Tangoarrangement für Blackbird über Jahrzehnte in der Schublade versteckt, was von Schiewe auf der Bühne auch bekräftigt wurde, wandelte sich das Auditorium endlich zum Tanzsaal und das Kammerorchester zur Tangokapelle. Ein zweites tanzertantes Set, in einem ungewohnt, frechen Stil zwischen anspruchsvollen Interpretationen und dem unverschämten Flirten einer Straßenmusik, lockte die Tänzer mit dem Charme diebischer Komplizenhaftigkeit auf die Fläche. Zwischen Neuinterpretationen und Eigenkompositionen, die direkt vertraut klangen, wurde der Abschied von der Bühne dem Duo nicht leicht gemacht.

Der Abend wurde lang; sowohl für Publikum als auch für die Künstler, sowohl tänzerisch als auch ideenschmiederisch. Und um nicht so schnell auseinandergehen zu müssen, wurde kurzerhand ein sonntäglicher Spontangig im nahen Münster (Anmerkung: westfälische, liebenswerte Kleinstadtmetropole, vor den Toren von Ahlen gelegen) organisiert. Nach einer letzten, heimlichen Zugabe, stopften sich Vagabundo und Inpetto in den Renault, schliefen sich kurz aus und ein paar Stunden später beschallte und betanzte man schon wieder, regengeschützt den münsterischen Prinzipalmarkt. Vielleicht die längste Zugabe der Welt nach einem schönen Sommerabend.

Manchmal gibt es Momente als Tänzer, in denen hat man das Gefühl, auch nach Jahren, man tanzt seinen eigenen Soundtrack. Wir sagen mehr als Danke und wir sind uns sicher, das Wiedersehen kommt bald!